Es ist Folgendes: Das Par für das Routing vom Alferini Golfkurs summiert sich auf 73. Das ist quasi eine Anomalie im Golf und mit 6’641 Metern gilt er als der längste an der Costa del Sol. Also ist der Alferini Kurs auf der Scorekarte überdimensioniert mit seinem seltenen Par 73. Ja, einige Golfer bestehen darauf, dass Par relativ ist. Und das stimmt bis zu einem gewissen Grad. Aber Par 72 18-Loch-Plätze sind bei Weitem die Norm in der Branche und Par 73 sind seltener zu finden. Noch dazu, dass es sich um einen Schluchten-Golfplatz handelt, der sich bedrohlich durch die canyon artige Landschaft zieht. Was wir sehen, sind erhöhte Teeboxen und extrem hängende Fairways. Tiefe Schluchten sind zu überspielen und man braucht einiges an Selbstsicherheit, um den Ball locker rüberzubringen. Manchmal ist es eng, dann wieder steil und wir mittendrin durch das schmale bewaldete Tal. Horrorfilme setzen unsere tiefsten Ängste frei – und trotzdem haben sie Suchtpotenzial.
Wir fantasieren schon, dass alle 18 Loch so schräg durch den Canyon laufen. Das Layout ist definitiv der Mörder eines jeden Golfballs. Einen Tick zu viel Roll und dein Ball ist im Nirvana. Links und rechts liegen die grünen Höllenschlunde darauf, jeden noch so kleinen Fehler zu bestrafen. Aber: Der Eingang vom Golfplatz täuscht durch den Canyon. Nur die ersten paar Bahnen sind so schmal. Auch ist die Länge nicht entscheidend, aber wenn dein Ball das Fairway zurückrollt, hast du ein Problem. Wer jedenfalls seine Leidensfähigkeit und sein Nervenkostüm austesten möchte, das ist die Gelegenheit. Nicht umsonst ist der Alferini Golf Club seit 2022 ein Austragungsort der Andalucía Costa del Sol Open de España der Frauen, was als Teil des Programms vom Solheim Cup 2023 gewertet wurde. Unglaublich fotoattraktiv sehen hier die Löcher aus, als wären sie in den Berghang geschnitten worden. Die metallisch schimmernden Felswände umrahmen die Fairways ohne die an der Costa del Sol oft gesehene Villen-Bebauung. Lange Bahnen, die für die modernen Driver perfekt sind. Ab und zu zieht ein kraftvolles Lüftchen durch, und ehe man sich versieht, packt der wirbelnde Luftstrom den Ball und trägt ihn weiter, als man es mit dem Wedge vor dem Grün vorgesehen hat. Und da ist er wieder, der Höllenschlund. Das Klima ist zu diesem Zeitpunkt in der Klamm deutlich frischer und perfekt, um der andalusischen Nachmittagshitze zu entkommen.
Auf dem Alferini wird von den Greenkeepern nichts dem Zufall überlassen. Stimmig drapierte Palmen und Oleanderbüsche geben der rauen Landschaft einen tropischen Touch. Golfanlagen sind wichtige Rückzugsorte und Lebensräume für viele heimische Wildtiere und so lässt es sich auch nicht vermeiden, dass Spuren aus der vorangegangenen Nacht als Überbleibsel der Wildschweinrotten zu sehen sind. Wir meinten, die kleinen Frischlinge aus dem Dickicht zu hören. Der Fussabdruck von Mama Wildsau war jedenfalls deutlich im Bunker. 100 Meter über dem Boden, auf einem schmalen Abschlag zwischen Schlucht und Fels, mit weitem Blick in die Tiefe runter auf Loch 2 und hinüber auf das Fairway, dort wo man landen muss. Der Blutdruck steigt, das Herz pumpt schneller und die Atmung beschleunigt sich. Das Adrenalin mobilisiert alle Kräfte für den Schlag und für einen kurzen Moment fühlen wir uns „high“, als der Ball landet. Das Schlussloch vom Alferini belohnt uns für all die Verlust- und Versagensängste mit einem Dopaminausstoss im Gehirn.